Was genau ist eigentlich manipulatives Marketing? Wie unterscheidet sich psychologische Manipulation von Copywriting, was sind ihre Methoden und wie kann man sie erkennen?

Die Abgrenzung zwischen Manipulation und Werbung liegt für mich darin, dass eine Manipulation immer zum einseitigen Nachteil des Manipulierten führt. Es gibt einen klaren Gewinner und einen klaren Verlierer. That’s it.

Werbung und Copywriting versucht zu überzeugen und die Entscheidung positiv zu beeinflussen, ohne, dass die getroffene Entscheidung zwingend zum Nachteil des Betroffenen führt.

Letztlich stellt sich immer die Frage: Hätte der Betroffene die Entscheidung mit ausreichend Bedenkzeit, genügend Informationen und in Rücksprache mit neutralen Personen erneut getroffen?

Werbung bzw. Marketing kann die Kauftentscheidung positiv beeinflussen, nicht aber das Produkterleben. Ein grundsätzlich schlechtes Produkt kann sich auch mit starken Werbebotschaften nicht durchsetzen. Um das Produkterleben zu verfälschen, muss daher Manipulation eingesetzt werden.

Vereinfacht könnte man sagen, manipulatives Marketing kommt dann zum Einsatz, wenn das angebotene Produkt oder die angebotene Dienstleistung objektiv betrachtet zu schlecht ist, um auf natürliche Weise eine hohe Nachfrage zu erzeugen.

Warum ein persönliches oder telefonisches Erst- oder Strategiegespräch für die Manipulation notwendig ist

Ein kostenloses Strategiegespräch ist bei einigen Anbietern ein Manipulations-Marathon

Es geht für Hochpreis-Abzocker und manipulative Marketer niemals ohne ,,Strategiegespräch” bzw. Salescall 

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass bestimmte Personenmarken mysteriös auftreten und generell viele Fragen offen lassen?

Die gezielte Steuerung und Unterdrückung von Informationen zielt auf eine drastische Informationsasymmetrie zwischen dem Anbieter und dem Interessenten ab (Machtgefüge).

Damit übt der Anbieter Macht aus, weil er bestimmen kann, wer, was zu welchem Zeitpunkt erfahren darf. Das Motiv des Interessenten, zum ,,Kreis der Eingeweihten” zu gehören, wird also vordergründig. Man lässt sich auf ein Telefongespräch ein.

Die Masche ist immer ähnlich, d.h. es werden zum Beispiel phänomenale Ergebnisse präsentiert, aber die Methode bzw. der Weg dorthin verschwiegen. 

Eine Transparenz hätte die Mündigkeit des Interessenten zur Folge, was eine spätere Manipulation nahezu unmöglich macht. Daher zielen unseriöse Anbieter darauf ab, Telefongespräche mit wenig informierten Interessenten zu führen. So tritt der ,,Aha”-Effekt ein und der Anbieter wird als Autorität wahrgenommen.

Katalog mit 22 manipulativen Marketingmethoden und psychologischen Tricks/Methoden für Marketing und Kommunikation

Manipulative MethodeVorgehensweise / Erkennungsmerkmale
Vermeidung der Sachebene und Manipulation auf der Beziehungsebene – Die Sachebene (Fakten, Konkretes, actionable insights) eignet sich wenig für Manipulation, deswegen werden auch vermeintliche Sachthemen ständig (z.B. in eigenen Videos) emotionalisiert. 
– Überlegung: Wie viele Informationen sind notwendig/hilfreich, um die Thesen des Dienstleisters zu belegen und wie viel des Gesagten ist ,,off-topic”? 
– Wenig Sachlichkeit deutet auf wenig Substanz hin 
Bandwagon Effect – ,,Die meisten Leute wie Du machen es auch auf diese Weise.” ,,Ganz viele mit demselben Problem haben es schon geschafft.” –> Herdentrieb 
– Erzeugen von Peer Pressure 
Verärgerung / Abneigung – ,,Warum kommst Du mir denn jetzt auf einmal so?!” 
– Ausdruck von Abneigung durch Stöhnen o.ä. Laute 
– Mittel, um ein Gespräch von der faktenbasierten Sachebene auf eine emotionale Ebene zu bringen, auf der leichter manipuliert werden kann. 
– Auch scharfe Zurückweisung von kritischen Fragen, z.B. in Interviews oder QA-Sessions in den sozialen Medien 
Dummstellen bei eindeutigen Aussagen – ,,Hä, was redest Du da? Ich kapier’ überhaupt nicht, was Du von mir willst?” 
– Soll Schuldgefühle beim Gegenüber auslösen, um den Erfolg und die Machtposition für weitere Manipulationen auszubauen 
Wechsel der Persönlichkeit – Sprunghafter Wechsel zwischen autoritärer Sprache und Kumpeltypgehabe, je nach Wirkungsgrad beim Opfer 
– Dadurch Belohnung/Bestrafung für richtiges und ,,falsches” Verhalten 
Entschuldigung für angerichteten, emotionalen oder finanziellen Schaden – ,,Oh, tut mir leid, wenn dich das getroffen hat, das war gar nicht meine Absicht. Aber es ist leider die Wahrheit. Siehst Du es denn jetzt wenigstens genauso?” 
– ,,Ich rede Tacheles und bin sehr direkt, stört dich das?” 
– Die allgemein positiv konnotierte ,,Direktheit” wird vorgeschoben, um andere zu diffamieren und die eigene Überlegenheit zu untermauern 
Schweigen – Extrem manipulativ. Schweigen wird unterbewusst als Bestrafung wahrgenommen und erzeugt Druck. Gerade am Telefon provoziert ein Schweigen häufig Aussagen beim Gegenüber, die aus einer Unsicherheit herrühren und daher perfekt für weitere Manipulationen dienen. 
Charmantes Verhalten / Lob / positive Stimulanz – ,,Habe ich mir gleich gedacht, dass Du ein Macher bist.” ,,Gianluca? Schöner Name! Kommst Du aus Italien?” 
– Ggf. auch überschwängliche Ausdrucksweise / gekünzeltes Lachen 
– Vertrauens- und Sympathieaufbau beim Gegenüber, Aufzeigen von demographischen oder interessensbasierten Gemeinsamkeiten 
– Einsatz von Grinsen, Lachen oder Körperkontakt 
Progressive Annahmen und Ja-Schleifen (commitment and consistency) / Salamitaktik – ,,Wenn ich dich richtig verstanden habe, XYZ” –> Ja. ,,Bedeutet doch, XYZ” –> Ja. ,,Also ist die Lösung dafür doch XYZ.” 
Hier wird der Interessent in die Enge getrieben und er tritt schlussendlich gegen sein eigenes Ego an, wenn er plötzlich Nein sagt. Der Manipulator wird diese scheinbaren Widersprüchlichkeiten  gezielt aufgreifen. Tatsächlich ist die Argumentation aber konstruiert worden und muss keinesfalls logischen Prinzipien folgen.
– Handelt es sich noch um ein Gespräch oder trifft das Gegenüber plötzlich hanebüchene Annahmen, die im Alltag so niemals vorkommen würden? 
Frühzeitiges Ausräumen von späteren Einwänden (pre objection frame) Auch hier werden commitment und consistency zum Nachteil des Interessenten eingesetzt. 
Es soll vermieden werden, dass in dem Telefongespräch keine Entscheidung getroffen wird. Durch Fragen werden Einwände entkräftet, bevor diese überhaupt real werden. Aus Gefallsucht ggü. dem Manipulator werden die Einwände ausgeräumt. Wenn die Einwände dann real werden und der Interessent argumentativ in die Ecke gedrängt wird, wird wiederum auf das Commitment am Anfang verwiesen. ,,Du hast doch am Anfang gesagt, dass…” Jetzt wird der Interessent als unehrlich und unaufrichtig dargstellt, was Schuldgefühle auslösen soll.
– ,,Du verschwendest unsere wertvolle Zeit.” 
Am Anfang des Gesprächs: ,,Können wir uns darauf einigen, dass Du am Ende eine Entscheidung triffst? Also ein klares Ja oder Nein, nicht so wischi-waschi?”
– Auch sehr gefährlich: ,,Triffst Du die Entscheidung alleine oder musst Du noch mit jemandem darüber sprechen?” –> Hier soll eine Hintertür geschlossen werden. 
Vorwegnahme von Einwänden (pre-emption of objections) – ,,Wenn Du jetzt denkst, das ist doch Scam, XYZ.” ,,Ich höre häufiger, dass …, aber XYZ?” ,,Im ersten Moment könnte man denken, das ist zu teuer und wenn man dann genau hinsieht, XYZ.” 
– Durch vermeintliche Selbstkritik und Offenheit soll Vertrauen aufgebaut werden.
– Wird häufig verwendet, um absurd hohe Preise zu rechtferitgen. Hier mehr dazu
Alberne Übertreibung / Argumentation ins Absurde führen (kommt auch im Copywriting vor),,Wenn ich dir jetzt sagen würde, dass …, müsste man mich dann barfuß in die Wüste schicken?”
Spin/Spinning im Marketing (Bewährtes Prinzip aus der Propagandaabteilung autoritärer Systeme) – Wird genutzt, um bspw. Politische Fehler medienwirksam umzudeuten. Eine wirksame Lüge ist übrigens immer sehr nah an der Wahrheit. 
– Passive Sprache, um eigene Distanz auszudrücken, ausweichende Antworten uvm. 
– Beispiel: Bill Clintons ,,I did not have sexual-relations with that woman.” Nach Clintons Definition ist Fellatio keine Definition eines sexuellen Verhältnisses, obwohl er genau wusste, wonach er (indirekt) gefragt wurde.
Öffentliche Schuldzuweisung / Schlachtung eines Sündenbocks – Sehr beliebt: Medienwirksame Analyse/Diffamierung von Mitbewebern, um selbst aufrichtiger dazustehen. Auch Warnung vor Abzocke in zahlreichen Artikeln und Videos, um selbst als Orakel der Wahrheit und vertrauenswürdig zu erscheinen. Häufig sind diese Videos inhaltsleer und nennen keine tatsächlichen Namen. 
– Clickbaiting mit Titeln wie ,,Vorsicht vor Abzockern” oder ,,XYZ seriös”? 
– Lügen über Lügen der anderen 
– Nicht näher benannte Mitbewerber machen etwas ,,falsch”, lügen, haben ein Geheimnis oder keine Ahnung (Konkretes bleibt aus) 
– Ebenso beliebt: Schuldzuweisung an das System (Schul- oder Bildungssystem), Gesellschaft (die da oben), soziale Konventionen (Hamsterrad, 9-to-5 Jobs) 
Einnehmen der Opferrolle / Positionierung als Underdog – ,,Am Anfang wollte niemand mit mir zu tun haben.” 
– Spielt eine wichtige Rolle für die sog. Heldenreise, mit der Interessenten sich identifizieren müssen, um das Angebot in Anspruch zu nehmen. 
– Auch hier: Das System hat Schuld (Hamsterrad, 9-to-5 Feindbild) 
Aktive Zuweisung der Opferrolle – ,,Du bist ja selbst Schuld, wenn du das mit dir machen lässt.” 
Bloßstellen / Verspottung häufig durch Zurschaustellung von Materialismus – Erzeugung von Selbstzweifel und dem Gefühl der Wertlosigkeit bei dem Interessenten durch das Aufzeigen von Unzulänglichkeiten im eigenen Wertesystem: Zu wenig Erfolg, Liebe, sozialen Status, Geld oder materielle Dinge 
– Kein Understatement sondern schamloses Protzen, da subtileres, soziales oder kulturelles Kapital von der Zielgruppe nicht verstanden und begehrt wird. 
Auslösen von Schuldgefühlen oder angebliche moralische Verpflichtung – ,,Du kannst deiner Familie niemals XYZ” bieten. 
– ,,Es ist deine Pflicht, anderen mit diesem Problem (z.B. finanzielle Freiheit) zu helfen.” ,,Jeder ist ein Experte.”
Drohung– Entweder sehr offensichtlich oder subtiler. 
– ,,Wenn Du nicht XYZ tust, dann wirst Du dein Ziel niemals erreichen. Willst du das?” 
– ,,Wenn Du nicht handelst, dann…” 
– ,,Dann wirst Du immer unzufrieden sein.” 
Ausweichen, Umleitung und Berufung auf anonyme Autoritäten – Ausweichende Antworten auf direkt Fragen 
– Umleitung von Fragen auf Themengebiete, die vorteilhafter sind 
– Worthülsen ,,Alle Leute glauben…” und Wiesel-Worte wie ,,Skalierung”, die im Kontext häufig nicht erklärt werden. 
Lügen – Durch Hinzudichtung von vermeintlichen Tatsachen (Umsätze, Kunden, Auszeichnungen etc.) 
– Durch absichtliches Weglassen oder Umdeutung von Tatsachen (kommt wesentlich häufiger vor und ist perfider, z.B. wenn Folgekosten nicht erwähnt werden) 
Fangfragen– Suggestivfragen mit einer falschen Annahme
– Alternativfragen, sehr beliebtes Mittel: ,,Hast Du heute oder morgen kurz Zeit?” 
Diese 22 Methoden sind Checkpunkte mit denen Sie manipulatives Marketing erkennen können.

Welche Knöpfe drücken manipulative Marketer bei Ihren Opfern und welche Schwachstellen nutzen Sie aus?

  • Gefallsucht ggü. Einzelpersonen / Autoritätshörigkeit 
  • Unreife und Naivität 
  • Gier und Unachtsamkeit ggü. Details / Neid 
  • Leicht zu beeindrucken durch materialistische Einstellung / unkritische Weltanschauung 
  • Das Streben nach Anerkennung durch Andere  / Abhängigkeit 
  • Angst vor der Auslösung negativer Emotionen 
  • Fehlender Mut / Angst Nein zu sagen / Versagensängste 
  • Schwache Identität keine definierten No-Gos im Umgang / Einsamkeit 
  • Mangelndes Selbstbewusstsein 
  • Starke Kontrollillusion (Glaube an die Möglichkeit der Änderung des eigenen Lebens durch externe oder interne Faktoren z.B. durch Meditation, Weiterbildungen oder Coaching) 
  • Überintellektualisierung, Versuch die Manipulation rational zu begründen / vor sich selbst zu legitimieren 

Sobald Sie merken, dass Ihr Gegenüber manipulative Marketingmethoden anwendet oder Sie mit psychologischen Tricks in die Ecke drängt, sollten Sie das Gespräch beenden.

Sofort. Die Tricks sind extrem wirkmächtig. Sie können nur gegen sich selbst verlieren, also versuchen Sie es gar nicht erst.

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